Unterhaltsbemessung Vater in Deutschland
1.1. Als Einkommen ist das monatliche, durchschnittliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen vor Abzug der ihm auferlegten Unterhaltsleistungen zu verstehen (RIS-Justiz RS0047489). Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist in erster Linie die sich aus dem Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel. Die Steuerbemessungsgrundlage ist daher, wenn erforderlich, nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren (RIS-Justiz RS0013386). Demnach berühren Steuerbegünstigungen, denen keine effektiven Ausgaben gegenüberstehen, nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners (RIS-Justiz RS0013386 [T5]). Da es auf das tatsächliche Nettoeinkommen ankommt, reduzieren Steuerzahlungspflichten im angemessenen Umfang die Bemessungsgrundlage, Steuerrückzahlungen erhöhen sie (RIS-Justiz RS0013386 [T10]; RS0047261).
1.2. Dabei ist die wirklich geschuldete, nicht die fiktive Lohnsteuer zu berücksichtigen; dies gilt auch bei Bewilligung von Freibeträgen für Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen, weil der Unterhaltspflichtige in beiden Fällen die staatlich eingeräumten Steuervorteile mit dem Unterhaltsberechtigten teilen soll (3 Ob 128/87; 2 Ob 223/98b). Lohnsteuerrückzahlungen sind als verfügbare Mittel des Unterhaltspflichtigen in die Unterhaltsbemessungs-grundlage miteinzubeziehen (RIS-Justiz RS0047261; 2 Ob 223/98b; 3 Ob 1138/12h). Gleiches gilt für Jahresausgleichsbeträge (3 Ob 517/93; vgl auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 267 f).
1.3. Nach ständiger Rechtsprechung hat die im Rahmen der Unterhaltsbemessung grundsätzlich gebotene steuerliche Entlastung dann nicht zu erfolgen, wenn der Unterhaltsschuldner ausschließlich im Ausland steuerpflichtig ist (RIS-Justiz RS0117122 [T2, T3]; vgl auch 9 Ob 75/15t). An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof trotz Kritik der Lehre (Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 738; ders, Familienbeihilfe, Kindesunterhalt und der Oberste Gerichtshof, ÖJZ 2003, 821) festgehalten und in der Entscheidung 9 Ob 75/15t ausgesprochen, dass die für die österreichischen Grenzsteuersätze von der Rechtsprechung entwickelte Bemessungsformel auf die Unterhaltsschuld eines in Frankreich wohnhaften Vaters schon deshalb nicht übertragbar sei, weil die Einkommensteuerpflicht in Frankreich – unter anderem wegen des dort bestehenden „Familiensplittings“ – anderen steuerlichen Gegebenheiten folge. Die abweichende Ansicht des dortigen Rekursgerichts wurde mit der Begründung verworfen, dass ohne Gesamtbetrachtung des steuerlichen Umfelds das Ziel einer adäquaten steuerlichen Entlastung des Unterhaltsschuldners auch dann verfehlt werde, wenn ein Nachteil bei der Unterhaltsbemessung durch in Frankreich bestehende Steuervorteile oder Transferleistungen (über-)kompensiert werde (9 Ob 75/15t).
1.4. Im vorliegenden Fall lebt der Kindesvater in Deutschland und ist – anders als in dem der Entscheidung 8 Ob 51/16g zugrundeliegenden Sachverhalt – ausschließlich in Deutschland steuerpflichtig.
1.5. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auch nach deutschem Recht der aus einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen resultierende Splittingvorteil sowohl bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder gemäß § 1610 Abs 1 BGB als auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen im Sinne von § 1603 Abs 2 BGB zu berücksichtigen ist, soweit er auf seinem alleinigen Einkommen beruht (BGH 17. 9. 2008 XII ZR 72/06; vgl auch BGH XII ZR 160/08, BGH XII ZB 258/13 und BGH XII ZB 298/12). In der zitierten Entscheidung XII ZR 72/06 hat der BGH auch dargelegt, dass der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe es nicht gebietet, den Splittingvorteil als zweckgebundenen Einkommensbestandteil bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt außer Acht zu lassen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlich gebotenen Außerachtlassung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe betreffe nur die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt gemäß § 1578 Abs 1 Satz 1 BGB und die damit verbundene (verfassungsrechtliche) Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit einer geschiedenen mit einer neuen Ehe (BGH aaO Rz 27).
1.6. Der Splittingvorteil ist zwischen den Ehegatten nach dem Maßstab einer fiktiven Einzelveranlagung aufzuteilen (BGH XII ZR 72/06 mwN). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher der Splittingvorteil im Verhältnis der Höhe der jeweils erzielten Einkommen der Ehegatten aufzuteilen. Nun erliegen im Akt zwar Urkunden über die Höhe des Einkommens der Ehegatten; die Vorinstanzen haben zu dieser Frage jedoch bisher keine Feststellungen getroffen. Insoweit war daher spruchgemäß mit Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen, wobei im Sinne der vom AußStrG 2003 angestrebten endgültigen Sacherledigung in zweiter Instanz eine Rückverweisung an das Rekursgericht zu erfolgen hatte. Da die erforderlichen Feststellungen im Wesentlichen aus den vorgelegten Urkunden getroffen werden können, bedeutet dies auch keine große Belastung und Verzögerung des Rekursverfahrens.
2.1. Im Übrigen erweist sich die Rechtsansicht des Rekursgerichts jedoch als zutreffend (§ 62 Abs 3 AußStrG):
2.2. Zutreffend ging das Rekursgericht davon aus, dass Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, die die gesetzliche ersetzt, die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern (EFSlg 92.450; EFSlg 130.162). In Deutschland erfasst die Krankenversicherungspflicht alle Personen mit inländischem Wohnsitz. Diese müssen entweder in gesetzlicher Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsträger, der einen gewissen Mindestumfang abdecken muss, versichert sein (vgl etwa Both, Die Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung, VersR 2011, 302). Steuerlich sind dabei diejenigen Beitragsanteile einer privaten Krankenversicherung als Sonderausgabe abzugsfähig, die der sogenannten Basisabsicherung entsprechen, also mit Ausnahme des Krankengeldes den Leistungen nach dem dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches V vergleichbar sind, nicht jedoch Beiträge für Zusatzleistungen wie Einbettzimmer oder Chefarztbehandlung (Görgmayr, Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. 1. 2010, SteuK 2009, 32).
2.3. Die deutsche Pflegeversicherung ist ein eigenständiger Zweig der Sozialversicherung. Sie ist im 11. Buch des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB XI) verankert und bildet – neben der Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung – deren „5. Säule“. Die Versicherungspflicht trifft all jene, die in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um freiwillig oder um Pflichtversicherte handelt (Habermann, Das Pflege-Versicherungsgesetz, NZS 1994, 313). Demnach mindern auch die Beiträge zur Pflegeversicherung (die nach deutschem Recht auch steuerlich abzugsfähig sind) die Unterhaltsbemessungsgrundlage.
2.4. Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen.
3.1. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Österreich, richtet sich der Unterhaltsanspruch des Kindes nach österreichischem Recht, weil sich die Unterhaltsbedürfnisse nach den Lebenshaltungskosten des Kindes richten, die am besten vom Recht des Ortes, wo das Kind lebt, berücksichtigt werden. Dies schließt allerdings nicht aus, unter Umständen die Lebenshaltungskosten des Vaters, die sich ja nach dem Lohnniveau, den Preisverhältnissen und den gesetzlichen Steuerbestimmungen etc seines Staates richten, nach dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0106532).
3.2. Im vorliegenden Fall leben die Kinder in Österreich. Durch die im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen erfolgte Anwendung der Prozentmethode wird damit ohnedies dem Bedarf des Kindes in Österreich Rechnung getragen. Für eine Erhöhung der Prozentsätze im Hinblick auf das in Österreich im Vergleich zu Deutschland etwas höhere Preisniveau – wie dies der Revisionsrekurs anstrebt – besteht keine Grundlage (vgl auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 78). Im Übrigen kann aus der das gesamte österreichische Preisniveau betreffenden Argumentation des Revisionsrekurses kein verlässlicher Rückschluss auf die Situation im vorliegenden Fall gezogen werden, ist doch nicht davon auszugehen, dass das Preisniveau am Wohnort der Minderjährigen (R*****) höher ist als dasjenige in München.
4.1. Zwar kann ein Unterhaltsberechtigter über den durchschnittlichen Bedarf hinaus noch Sonderbedarf oder Individualbedarf haben. Solche Mehrkosten sind insbesondere durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt (RIS-Justiz RS0047539). Dieser (allgemeine) Grundsatz spricht gegen die Annahme, Prozess- und Vertretungskosten des Kindes im Verfahren außer Streitsachen müssten vom Geldunterhaltsschuldner grundsätzlich immer aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs ersetzt werden, zumal jedem unterhaltsberechtigten Kind bzw seinem obsorgeberechtigten Elternteil im Hinblick auf § 208 Abs 2 ABGB die Möglichkeit offensteht, sich bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten zu lassen (RIS-Justiz RS0047539 [T6]).
4.2. Die einem Minderjährigen im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erwachsenden Verfahrenskosten begründen zudem nur dann einen vom Unterhaltspflichtigen abzudeckenden Sonderbedarf, wenn sie aus den laufenden Unterhaltsleistungen nicht bestritten werden können (vgl RIS-Justiz RS0047516). Die Abgeltung eines Sonderbedarfs hat somit Ausnahmecharakter. Seine Berücksichtigung findet regelmäßig nur bei einem „Deckungsmangel“ statt (RIS-Justiz RS0047564 [T4]). Ein derartiger Deckungsmangel liegt dann vor, wenn der Sonderbedarf nicht aus der Differenz zwischen dem bereits festgesetzten, den Allgemeinbedarf deckenden Unterhalt und dem Regelbedarf bestritten werden kann (10 Ob 61/05a; 9 Ob 47/06m; RIS-Justiz RS0047564 [T3, T5]).
4.3. Im vorliegenden Fall scheitert der Zuspruch von Vertretungskosten als Sonderbedarf schon daran, dass kein Deckungsmangel vorliegt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der der Minderjährigen L***** zustehende Unterhalt seit 1. 9. 2014 unter dem Regelbedarf liegt, weil dies bloß eine Folge der Anrechnung ihrer Eigeneinkünfte ist (vgl 8 Ob 44/15a).
5. Zusammenfassend war die angefochtene Entscheidung daher zur ergänzenden Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Kindesvaters aufgrund des ihm zukommenden Anteils am „Splittingvorteil“ aufzuheben und dem Rekursgericht insoweit die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
OGH 29.11.2016, 6 Ob 153/16t