Ungarische Lebensgemeinschaft ist keine EP
Sachverhalt
Gegenstand des RevVerfahrens ist der von der Kl geltend gemachte Anspruch auf Witwenpension nach ihrem 2022 verstorbenen Lebensgefährten.
Die Kl und der Versicherte lebten seit 1999 in einer emotionalen und wirtschaftlichen Gemeinschaft in einem Haushalt faktisch zusammen. Nach einer ungarischen Gesetzesänderung vom 1. Jänner 2010 wurde die Beziehung am 28. Jänner 2010 bei einem Notar registriert und war seither als „Elettärsi viszony letesitese“ („Lebensgemeinschaftsbeziehung“) erfasst.
Nach ungarischem Recht entsteht die nichteheliche Lebensgemeinschaft (die sogenannte Lebenspartnerschaft) – im Gegensatz zur Ehe und zur eingetragenen Lebenspartnerschaft, die förmlich eingegangen werden – durch das Zusammenleben eines verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Paares in einer emotionalen und wirtschaftlichen Gemeinschaft in einem Haushalt. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Eine deklaratorische Registrierung ist aus Gründen der Rechtssicherheit möglich; das Register der lebenspartnerschaftlichen Erklärungen führt die Landesnotarkammer.
Mit Bescheid vom 20. März 2023 lehnte die beklagte PVA den Antrag der Kl auf Gewährung einer Witwenpension mit Stichtag 1. September 2022 ab. Die von der ungarischen Behörde bestätigte Lebensgemeinschaft begründe nicht die Rechtswirkungen einer in Österreich geschlossenen Ehe.
Das ErstG gab der auf Zahlung einer Witwenpension gerichteten Klage statt. Das BerufungsG gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Es ließ die Rev zu, weil die Frage der Sachverhaltsgleichstellung einer bloßen Lebenspartnerschaft nach ungarischem Recht mit einer eingetragenen Partnerschaft nach dem EPG eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.
Die dagegen von der Kl erhobene Rev wies der OGH zurück.
Aus den Entscheidungsgründen
Der OGH hat sich erst jüngst in der E zu 10 ObS 118/23k mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine im Ausland begründete Partnerschaft einen Anspruch auf Witwenpension begründen kann, und kam zu folgendem Ergebnis:
Die Wirksamkeit einer im Ausland begründeten Partnerschaft ist aufgrund des nach § 27a IPRG anzuwendenden Rechts zu prüfen. Dafür bedarf das Zusammenleben zwischen dem Anspruchswerber und dem Versicherten aber zunächst einmal einer (ersten) Qualifikation als „eingetragene Partnerschaft“ iSd lex fori. Das ist nur bei ausländischen Partnerschaftsformen der Fall, die (bei weiter Auslegung) einer eingetragenen Partnerschaft funktionell gleichwertig sind, dh ihre Kernelemente aufweisen. Eingetragene Partnerschaften sind daher alle Arten von Lebensgemeinschaften, die förmlich begründet wurden (aber keine Ehen sind) und familien- und personenstandsrechtliche Wirkungen entfalten, auch wenn sie hinter jenen Wirkungen zurückbleiben, die eingetragenen Partnerschaften nach dem EPG zukommen. Liegen diese Charakteristika nicht vor, besteht keine eingetragene Partnerschaft, sondern selbst dann nur eine schlichte bzw faktische Lebensgemeinschaft, wenn die ausländische Rechtsordnung gewisse Rechtsfolgen an diese knüpft.
Die E des BerufungsG steht mit dieser Rsp im Einklang. Entgegen der in der Rev vertretenen Rechtsansicht entsprechen einander die eingetragene Partnerschaft nach dem EPG und die ungarische Lebenspartnerschaft hinsichtlich ihrer Begründung nicht, weil die ungarische Lebenspartnerschaft bereits durch das Zusammenleben eines verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Paares in einer emotionalen und wirtschaftlichen Gemeinschaft in einem Haushalt begründet wird. Die nach ungarischem Recht mögliche Registrierung der Lebenspartnerschaft hat demgegenüber nur deklaratorischen Charakter, sodass diese Art der Lebensgemeinschaft – anders als die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft, die auch nach ungarischem Recht förmlich eingegangen werden – nicht förmlich begründet wird und einer eingetragenen Partnerschaft nach dem EPG somit nicht gleichgehalten werden kann. Der in der Rev betonte Umstand, dass das ungarische Recht an eine solche Lebenspartnerschaft gewisse Rechtsfolgen, wie etwa einen Anspruch auf Hinterbliebenenpension, knüpft, ändert nichts an den nach innerstaatlichem Recht zu beurteilenden Voraussetzungen für eine (österr) Hinterbliebenenpension.
Eine Gleichstellung der Lebenspartnerschaft nach ungarischem Recht mit einer eingetragenen Partnerschaft nach dem EPG ergibt sich auch nicht aus Art 5 lit b VO (EG) 883/2004, wonach der zuständige MS die in einem anderen MS eingetretenen Sachverhalte oder Ereignisse so berücksichtigt, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Die MS bleiben weiterhin zuständig und frei in der Festlegung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen (10 ObS 83/13y ErwGr 2.). Aus welchen Gründen sich die Qualifikation der Art des Zusammenlebens der Kl und des Versicherten unter der Annahme, der maßgebliche Sachverhalt hätte sich in Österreich verwirklicht, ändern könnte, ist der Rev nicht zu entnehmen.
OGH 13.08.2024, 10 ObS 80/24y; OLG Wien 10 Rs 99/23m; ASG Wien 25 Cgs 64/23
Anmerkung/Praxistipp
Die Hinterbliebenenpension soll ein Ersatz für den Entfall einer Unterhaltsleistung sein. Da zwischen Lebensgefährten keine Unterhaltsverpflichtung besteht, hat ein (bloßer) Lebensgefährte beim Tod des Versicherten keinen Anspruch auf Hinterbliebenenpension. Mit dieser Begründung wurde in 10 ObS 16/14x[1] der Anspruch auf Witwenpension abgelehnt, obwohl die Frau in Israel eine Partnerschaftsvereinbarung abgeschlossen hatte, die nach dem Tod des Mannes vom Gericht und dem Sozialamt in Israel anerkannt wurde und der Frau Unterhaltsansprüche einräumte. Der OGH knüpfte damals nach § 16 IPRG an und kam zu dem Ergebnis, dass keine Ehe vorliege. Auch wenn eine zivile Eheschließung in Israel nicht möglich sei, sei doch die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Ehe nicht gleichwertig.
Im vorliegenden Fall untersuchte der OGH eine Anknüpfung der ungarischen „Lebensgemeinschaftsbeziehung“ nach § 27a IPRG („Voraussetzungen und Wirksamkeit der eingetragenen Partnerschaft“), die er jedoch verwarf, weil diese Kollisionsnorm nur förmlich begründete Partnerschaften erfasst. Die LG wird aber gerade nicht förmlich begründet (woran auch die spätere Registrierung der LG nichts ändert). Das ist zutreffend und entspricht hL, nach der die faktische LG nie nach ihrer „Begründung“, sondern immer nur nach ihren „Wirkungen“ anzuknüpfen ist. Der OGH hätte aber nicht dabei stehen bleiben dürfen, dass die ungarische LG nicht § 27a IPRG unterfällt. Vielmehr stellt sich die knifflige Frage, wie bzw nach welchem Recht denn nun die „Wirkungen“ der ungarischen LG – immerhin zieht sie unterhalts- und gar vermögensrechtliche Folgen nach sich! – vor dem spezifischen Hintergrund des Anspruchs auf Witwenpension anzuknüpfen sind. Nicht ganz fernliegend ist es, für diese Beurteilung auf den vom OGH zitierten Art 5 lit b VO (EG) 883/2004 ( „Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“) Rücksicht zu nehmen, wonach „Leistungen, Einkünfte, Sachverhalte oder Ereignisse“, die im Hoheitsgebiet eines MS eingetreten sind, auch in den anderen MS zu berücksichtigen sind. Der „effet util“ verlangt möglicherweise, die Wirkungen der ungarischen LG auf Österreich zu erstrecken. Es wäre daher geboten gewesen, ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.
[1] 10 ObS 16/14x EF‑Z 2014/141, 230 (Verschraegen).