Taschengeld als Naturalunterhalt

Rechtsprechung

Taschengeld als Naturalunterhalt

Ein Taschengeld iHv 20 EUR ist jedenfalls für ein Kind im Alter von rund 13 Jahren angemessen und entspricht hier auch den angespannten finanziellen Verhältnissen der Eltern. Es ist als Naturalunterhalt von der Gesamtunterhaltspflicht abzuziehen.


Das Erstgericht gab mit Beschluss vom 29. 11. 2019 dem Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes vom 29. 5. 2019 statt und verpflichtete den Vater – ausgehend von einer im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.088 EUR – zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 220 EUR ab 1. 5. 2019. Es stellte ua – soweit für die Revisionsrekursentscheidung relevant – fest, dass der Vater bisher an die Mutter des Kindes, in dessen Haushalt das Kind lebt, jeweils monatlich 200 EUR und an das Kind ein Taschengeld von 50 EUR bezahlt hat.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters Folge und wies den Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes ab. Da der Vater seiner Unterhaltsverpflichtung durch den an die Mutter monatlich geleisteten Betrag von 200 EUR und das an das Kind bezahlte – jedenfalls dem Alter des Kindes angemessene und den elterlichen Lebensverhältnissen auch entsprechende – Taschengeld von 50 EUR vollständig und immer zeitgerecht nachgekommen sei, sei der Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes mangels Verletzung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters zur Gänze sowohl für die Vergangenheit als auch die Zukunft abzuweisen. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein Unterhaltserhöhungsantrag mangels Unterhaltsverkürzung auch in jenen Fällen abzuweisen sei, in denen der Unterhalt schon einmal gerichtlich festgesetzt worden sei.

Der OGH

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Kindes, gerichtet auf eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, ist zulässig und auch teilweise berechtigt.

1. Die Verpflichtung zur Leistung noch nicht fälligen Unterhalts ist zulässig, wenn die Unterhaltspflicht bereits verletzt wurde oder verletzt zu werden droht (§ 101 Abs 4 AußStrG). Erfüllt der unterhaltspflichtige Vater freiwillig seine Unterhaltspflicht vollständig und zeitgerecht, dann ist kein gerichtlicher Leistungsbefehl (Exekutionstitel) zu schaffen (3 Ob 35/19x Pkt 4.; RS0102134; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 65; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth § 101 AußStrG Rz 52; Neuhauser in Schwimann/Kodek5 § 231 ABGB Rz 472).

2. Im vorliegenden Fall hat der Vater in der Vergangenheit bereits mehrmals seine Unterhaltspflicht verletzt, was zu den Unterhaltsfestsetzungsbeschlüssen vom 11. 12. 2008 und 15. 12. 2019 geführt hat. Im vorliegenden Verfahren sprach er sich noch im Rekurs gegen die vom Kind begehrte Unterhaltserhöhung auch mangels Leistungsfähigkeit aus (vgl 4 Ob 54/19y Pkt II.4.). Grundsätzlich ist die Schaffung eines (weiteren) Unterhaltstitels daher iSd § 101 Abs 4 1. FallAußStrG zulässig (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 65 Pkt 3). Ein exekutierbarer Unterhaltstitel dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit und vermeidet weitere zukünftige Streitigkeiten zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem unterhaltspflichtigen Elternteil über die aktuelle Unterhaltshöhe.

3. Soweit in der Entscheidung über den vom Kind begehrten Unterhalt für die Vergangenheit abzusprechen ist, ist zu berücksichtigen, dass im Unterhaltsfestsetzungsverfahren die vom Unterhaltspflichtigen vor Schaffung des Titels geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen sind. Der Unterhaltspflichtige hat nämlich nach ständiger Rechtsprechung gerade im Hinblick auf § 35 EO Anspruch darauf, dass ihm keine höhere Unterhaltsverpflichtung auferlegt wird, als sie sich unter Berücksichtigung dieser Zahlungen ergibt, können doch gemäß § 35 Abs 1 EO in der Vergangenheit (also vor Schaffung des Titels) geleistete Zahlungen nicht mit Oppositionsklage geltend gemacht werden (RS0000588 [T2, T3]). Die vom Unterhaltspflichtigen bis zum Tag der gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung geleisteten Zahlungen und Naturalleistungen müssen daher auf den Unterhaltsanspruch in Anrechnung gebracht werden. Bei einer Unterhaltsfestsetzung für die Vergangenheit sind daher alle Geld- und Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter in Anschlag zu bringen und vom (errechneten) tatsächlichen Unterhaltsbetrag in Abzug zu bringen. Nur dieser Rest ist dann in einem Gesamtbetrag als rückständiger Unterhalt zuzusprechen (10 Ob 58/13x Pkt I.1. mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 1056 Pkte 1., 6.; Rz 1056a Pkt 4.). Diese ursprünglich für den Ehegattenunterhalt entwickelten Grundsätze gelten auch für den Zuspruch von Kindesunterhalt im Außerstreitverfahren (8 Ob 39/16t Pkt 6.).

4. Der Vater hat in der Zeit von 1. 5. 2019 bis 30. 11. 2019 neben den monatlichen Geldunterhaltszahlungen von 200 EUR an die Mutter des Kindes auch ein monatliches Taschengeld von 50 EUR an das Kind geleistet. Ein dem Alter des Kindes und den elterlichen Lebensverhältnissen angemessenes Taschengeld gehört zum Naturalunterhalt (1 Ob 149/13p Pkt 3.2.; RS0116145 [T2]; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 145 Pkt 6.; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9, 201). Ein Taschengeld iHv 20 EUR ist jedenfalls für ein Kind im Alter von rund 13 Jahren angemessen und entspricht hier auch den angespannten finanziellen Verhältnissen der Eltern. Schon ohne Berücksichtigung der weiteren Taschengeldzahlung iHv 30 EUR hat der Vater mit der Anrechnung eines Naturalunterhalts von 20 EUR seine monatliche Unterhaltsverpflichtung iHv 220 EUR für die Monate Mai bis November 2019 zur Gänze erfüllt.

5. Der Antrag des Kindes, den Unterhalt für den Zeitraum von 1. 5. 2019 bis 30. 11. 2019 mit 220 EUR festzusetzen, ist daher abzuweisen. Hingegen ist dem Unterhaltserhöhungsantrag ab 1. 12. 2019 stattzugeben.

OGH 29.7.2020
9 Ob 23/20b

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