Selbsterhalterstipendium kein Eigeneinkommen des Kindes

Rechtsprechung

Selbsterhalterstipendium kein Eigeneinkommen des Kindes

Der 1993 geborene Antragsteller, der im September 2012 seine Lehre als Bürokaufmann abschloss, besuchte von September 2013 bis Juni 2015 einen Abendkurs zur Absolvierung der Berufsreifeprüfung und begann daraufhin im Wintersemester 2015/16 mit dem Bachelorstudium Bank- und Finanzwirtschaft, das er seither erfolgreich und zielstrebig betreibt.


Beginnend mit 1. Juli 2015 wurde er von seiner Arbeitsstelle für die Dauer von insgesamt sieben Jahren unbezahlt beurlaubt.

Der Antragsteller erhält für sein Studium ein Selbsterhalterstipendium nach dem Studienförderungs-gesetz 1992 (StudFG 1992, BGBl Nr 305/1992). Er lebt im Haushalt seines Vaters.


Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens im Unterhaltsverfahren des Antragstellers gegen seine Mutter ist die Frage, ob sein Selbsterhalterstipendium als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen ist.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Revisionsrekurs darüber hinaus auch in Frage stellt, ob der inzwischen 25-jährige Antragsteller nach bereits erlangter Selbsterhaltungsfähigkeit überhaupt Unterhalt begehren kann, ist darauf nicht mehr einzugehen, weil sie den Unterhaltsanspruch dem Grunde nach im Rekursverfahren nicht bekämpft hat und die insoweit unterlassene Rechtsrüge im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachzuholen ist (RIS-Justiz RS0043480 [T12]). Davon abgesehen hat die Antragsgegnerin selbst die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem sie zu (geringeren) Unterhaltsleistungen verpflichtet wurde, begehrt, die das vom Antragssteller bezogene Stipendium als Eigeneinkommen berücksichtigen.

Das Rekursgericht, das die vom Antragsteller bezogene Studienförderung mit Hinweis auf die Gesetzeslage sowie die dazu vorhandene Rechtsprechung nicht als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anrechnete, ließ nachträglich den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung im Wesentlichen mit folgender Begründung zu: Das Selbsterhalterstipendium sei eine Sonderform der Studienbeihilfe; da im vorliegenden Fall der Antragsteller im Haushalt seines Vaters wohne, stehe diesem Einkommen kein tatsächlicher Aufwand gegenüber; eine „Doppelversorgung“ sei aber vom Gesetzgeber nicht bezweckt.

Der OGH:

Weder die Zulassungsbegründung noch der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Das Rechtsmittel ist daher – ungeachtet des nicht bindenden nachträglichen Ausspruchs des Rekursgerichts – nicht zulässig. Es ist mit kurzer, auf die Zurückweisungsgründe beschränkter Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG) zurückzuweisen.

1.1 § 1 Abs 3 StudFG 1992 (BGBl Nr 305/1992 idF BGBl I Nr 54/2016) lautet: „Die Gewährung einer Studienförderung berührt einen Anspruch auf Unterhalt weder dem Grunde noch der Höhe nach.“ Diese – bereits im Jahr 1972 erstmals zu einer Novellierung des Schülerbeihilfengesetzes formulierte – Bestimmung sollte klarstellen, dass die in mehreren früheren gerichtlichen Unterhaltsentscheidungen ausgesprochene Reduktion von Unterhaltsverpflichtungen mit Hinweis auf die Gewährung von Schülerbeihilfen nicht zulässig sein sollten (ErläutRV 350 BlgNR XIII. GP 3; eine gleichlautende Klarstellung wurde anschließend auch für den Bereich der Studienförderung vorgenommen; 364 BlgNR XIII. GP 1).

Im zweiten Hauptstück des Studienförderungsgesetzes (§§ 6 ff StudFG 1992) sind die Studienbeihilfen als Maßnahmen der Studienförderung (§ 1 Abs 1 Z 1 StudFG 1992) geregelt, zu denen auch die Studienbeihilfe für Selbsterhalter (§ 27 StudFG 1992) gehört. Ein solcher „Selbsterhalt“ setzt voraus, dass sich der/die Studierende vor der ersten Zuerkennung von Studienbeihilfe durch Einkünfte mindestens vier Jahre zur Gänze selbst erhalten hat, und liegt nur dann vor, wenn das jährliche Einkommen iSd StudFG 1992 während dieser Zeit zumindest die Höhe der jährlichen Höchststudienbeihilfe erreichte (§ 27 Abs 1 und 2 StudFG 1992).

Eine Differenzierung innerhalb der verschiedenen Maßnahmen der Studienförderung oder der unterschiedlichen Formen der Studienbeihilfen nimmt das Gesetz nicht vor. Die Anordnung des § 1 Abs 3 StudFG 1992 gilt daher uneingeschränkt für sämtliche Studienförderungen nach diesem Gesetz, also auch für die Studienbeihilfe für Selbsterhalter.

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine vom Unterhaltsberechtigten bezogene Studienbeihilfe kein den Unterhaltsanspruch minderndes Eigeneinkommen (vgl RIS-Justiz RS0047498; RS0047597). Auch in der Lehre und im Schrifttum wird dies – mit Hinweis auf die ausdrückliche gesetzliche Anordnung des § 1 Abs 3 StudFG 1992 sowie darauf, dass diese Leistungen nicht eine Entlastung der Unterhaltspflichtigen bezwecken – nicht angezweifelt (Gitschthaler, Unterhaltsrecht³ Rz 770; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8, 161; Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 231 Rz 60; Limberg in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 231 Rz 55; Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 Band 1a § 231 Rz 379; Hopf, KBB5 § 231 Rz 7; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 140 ABGB, Rz 93; Tews, Unterhalt für Kinder 259). Anderes gilt nur im umgekehrten Fall, in dem der Unterhaltspflichtige eine Studienbeihilfe bezieht, weil die Anordnung des § 1 Abs 3 StudFG 1992 nicht Unterhaltspflichten, sondern Unterhaltsansprüche betrifft und daher eine Studienbeihilfe nach diesem Gesetz in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (zu Gunsten eines Unterhaltsberechtigten) miteinzubeziehen ist (vgl RIS-Justiz RS0125698 = 2 Ob 253/09h mwN).

2. Die Revisionsrekurswerberin argumentiert im Wesentlichen damit, dass im vorliegenden Fall der Antragsteller trotz seiner Qualifikation als „Selbsterhalter“ im Haushalt seines Vaters wohne und daher keine entsprechenden Kosten zu tragen habe. Gleichzeitig weist sie zutreffend darauf hin, dass die Studienbeihilfe grundsätzlich nach Kriterien der sozialen Bedürftigkeit bemessen wird und dabei etwa auch die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern zu berücksichtigen ist (§ 30 Abs 2 Z 1 StudFG 1992). Gerade daraus wird jedoch deutlich, dass nach dem Zweck der Studienförderung eine Entlastung derjenigen Personen, die dem/der Studierenden gegenüber unterhaltspflichtig sind, nicht intendiert ist, sondern durch diese Maßnahmen insbesondere diejenigen Studierenden gefördert werden sollen, denen solche Unterhaltsansprüche nicht zukommen. Dass hier der Antragsteller als Selbsterhalter im Sinn des § 27 StudFG 1992 eingestuft wurde und nun diese Leistung bezieht, kann daher – entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin – auch aus diesem Grund (abgesehen von der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 1 Abs 3 StudFG 1992) kein Argument für eine Reduktion seines Unterhaltsanspruchs gegenüber seinen Eltern sein.

Umgekehrt könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Studienbeihilfe (bzw in welcher Höhe) vorlagen, was jedoch hier nicht zu prüfen ist (Art 94 Abs 1 B-VG; § 1 JN; vgl RIS-Justiz RS0053930). Insoweit wurde die früher erforderliche zusätzliche Voraussetzung für die Zuerkennung von Studienbeihilfe für Selbsterhalter gemäß § 27 Abs 1 StudFG 1992, die darin bestand, dass der/die Studierende weder mit dem eigenen Elternteil noch mit einem Elternteil des Ehepartners im gemeinsamen Haushalt lebt(e), aber mit Hinweis auf den erheblichen Ermittlungsaufwand aus dem Gesetz entfernt (BGBl Nr 513/1995; dazu 29/ME XIX. GP 3).

3. Die Revisionsrekurswerberin meint außerdem, der Antragsteller erhalte durch die ihm zuerkannten Unterhaltsbeträge insgesamt zu hohe monatliche Beträge zu seiner freien Verfügung.

Es gibt aber keine absolute Obergrenze für die Festsetzung des Unterhalts; die konkrete Ausmittlung hängt vielmehr immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0047424 [T2]; 1 Ob 131/16w mwN). Betragliche oder in einem Vielfachen des sogenannten Regelbedarfs ausgedrückte absolute Obergrenzen für die Festsetzung eines Unterhaltsanspruchs sind mit den Bemessungskriterien des § 231 ABGB nicht vereinbar; diese gestatten daher auch keinen allgemeinen „Unterhaltsstopp“ beim 2,5-fachen oder einem sonstigen Vielfachen des sogenannten Regelbedarfs (vgl RIS-Justiz RS0047458).

Der hier vom Rekursgericht dem Antragsteller zuerkannte Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Mutter erreicht nicht den jeweiligen 2,5-fachen Regelbedarf; erst bei Hinzurechnung der bezogenen Studienbeihilfe würde sich ein Betrag ergeben, der diesen Wert (hier ab Juli 2017 um rund 100 EUR pro Monat) überstiege. Für eine – wie die Revisionsrekurswerberin hier schlicht behauptet – „schädliche Überalimentierung“ des bereits 25-jährigen Antragstellers zeigt das Rechtsmittel somit keine Anhaltspunkte auf. Auch in diesem Zusammenhang ist keine Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zu lösen.

4. Zu der (lediglich im Antrag formulierten) „Anregung“ eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Bestimmung des § 1 Abs 3 StudFG finden sich im Rechtsmittel keine Ausführungen; die Behauptung einer „Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes“ kann für sich allein keinen Anlass für ein von Amts wegen einzuleitendes Verfahren zur Gesetzesprüfung vor dem Verfassungsgerichtshof bieten. Eine bloße Anregung einer Gesetzesprüfung bedarf keiner besonderen beschlussmäßigen Zurückweisung (RIS-Justiz RS0058452 [T8]).

OGH 14.8.2018
3 Ob 51/18y

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