Scheidung nach chinesischem Recht
1.2. Die Streitteile leben seit 2005 gemeinsam mit ihrer Tochter in einer vom Dienstgeber des Beklagten zur Verfügung gestellten Villa in S*****, China. Sie verbringen dort die überwiegende Zeit des Jahres, der Beklagte arbeitet dort, die Tochter hat bereits die Vorschule in S***** begonnen und besucht dort mittlerweile die internationale deutsche Schule. Die Aufenthalte der Familie in Österreich beschränken sich auf einige Urlaubswochen im Jahr. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage von einem gewöhnlichen Aufenthalt in China ausgegangen sind, dann hält sich diese Beurteilung im Rahmen der dafür maßgeblichen Grundsätze und führt zur Anwendung materiellen chinesischen Rechts.
2. Die Vorinstanzen haben erkennbar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine „einseitige Scheidung“ nach § 32 des (chinesischen) Ehegesetzes vom 10. 9. 1980 idF vom 28. 4. 2001 bejaht. Die insoweit behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor.
3.1. Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des anzuwendenden fremden (hier: chinesischen) Rechts reicht für die Annahme einer qualifizierten Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aus (10 Ob 371/99b mwN). Dem Obersten Gerichtshof kommt nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RS0042948 [T16]; RS0042940 [T3]). Die außerordentliche Revision wäre aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht missachtet worden wäre oder Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RS0042948 [T3, T4, T7 und T21]; RS0042940 [T1 und T9]). Die Klägerin vermag aber nicht aufzuzeigen, dass die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht von einer gefestigten Rechtsanwendung im fremden Staat abgewichen wäre:
3.2. Nach § 32 Abs 2 chinesisches EheG muss das Gericht bei der Behandlung von Scheidungsfällen eine Schlichtung durchführen; es muss die Scheidung gewähren, wenn die Gefühle (der Ehegatten für einander) tatsächlich zerrüttet sind, und die Schlichtung erfolglos ist. Die Scheidung muss nach § 32 Abs 3 chinesisches
EheG
(ua) dann gewährt werden, wenn andere (gemeint: nicht in Z 1 bis 4 genannte) Umstände zur Zerrüttung der (gegenseitigen) Gefühle der Ehegatten geführt haben.
3.3. Die Scheidungsklage kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil vorher keine „außergerichtliche Schlichtung“ durchgeführt wurde. Die gemäß § 32 Abs 2 chinesisches EheG
zwingend vorgesehene „gerichtliche Schlichtung“ kann das Erstgericht – entgegen der Ansicht der Klägerin – im Rahmen der Verhandlung vornehmen, was auch – allerdings erfolglos – geschehen ist. Das Erstgericht hat insoweit bereits vorliegender Rechtsprechung entsprochen (7 Ob 160/11x). Von welcher gefestigten Rechtsanwendung im fremden Staat damit abgewichen worden sein soll, zeigt die Klägerin nicht auf.
4. Die „Zerrüttung der (gegenseitigen) Gefühle der Ehegatten“ war schon in erster Instanz unstrittig. Der (nunmehr) gegenteilige Standpunkt der Klägerin geht nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen aus und welcher gefestigten chinesischen Rechtsanwendung die Annahme hier vorliegender Zerrüttung widersprechen soll, wird von der Klägerin wiederum nicht aufgezeigt.
OGH 19.2.2020
7 Ob 38/20v