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Schattenwert einer Genossenschaftswohnung | Rechtsanwalt in Wien, Dr. Nademleinsky

Rechtsprechung

Schattenwert einer Genossenschaftswohnung

Der geschiedene Mann lebt seit seinem Auszug aus während der Ehe von der Frau angemieteten geförderten Genossenschaftswohnung in einer eigenen Wohneinheit im Haus seiner Eltern. Er strebt eine Ausgleichszahlung von 54.550 EUR für den Vorteil, der der Frau aus der günstigen Miete der geförderten Wohnung zufließt, an.

Der Antragsteller lebt seit seinem Auszug im Jahr 2006 aus der im Jahr 1994 während der Ehe von der Antragsgegnerin angemieteten geförderten Genossenschaftswohnung in einer eigenen Wohneinheit im Haus seiner Eltern. Der Schätzwert der Wohnungseinrichtung der Ehewohnung beträgt 1.385 EUR, daneben gibt es weder weiteres Gebrauchsvermögen noch eheliche Ersparnisse. Beide Eheleute waren berufstätig, die Ehefrau aber nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes drei Jahre in Karenz und eine Zeit lang ohne Beschäftigung. Sie führte auch neben ihrer Berufstätigkeit den Haushalt und half an Wochenenden im Haushalt der Eltern des Ehemannes mit. Ihr Einkommen machte schon während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft nur ca die Hälfte des Einkommens des Mannes aus. Zuletzt arbeitete sie als selbständige Bürohilfskraft und hatte ein monatliches Einkommen von etwa 900 EUR zusätzlich zum einstweilen vom Ehemann zu leistenden Unterhalt von 530 EUR monatlich. Seit 1. 4. 2016 bezieht sie Notstandshilfe von 9,60 EUR täglich. Das Gehalt des Mannes für April 2016 betrug 2.960 EUR.

Das Erstgericht ordnete an, dass – wie vom Antragsteller auch begehrt – die Ehewohnung der Antragsgegnerin verbleiben solle, wies dem Antragsteller eine Nähmaschine und ein Ölbild (im Wert von insgesamt 105 EUR) zu und erlegte der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 6.695 EUR, zahlbar in dreizehn monatlichen Raten, auf. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss.

Der OGH wies das Rechtsmittel des Mannes zurück:

Zu den zu 1 Ob 237/98d und 6 Ob 322/99t entschiedenen Fällen legte der Oberste Gerichtshof dar, dass Überlegungen zu einem geeigneten Maßstab für die Ermittlung eines Ausgleichs für den Nutzungsentgang einer günstigen Ehewohnung entbehrlich seien, wenn bei nicht annähernd gleichen Einkommensverhältnissen der besserverdienende Ehepartner die Ehewohnung verlassen und bereits getrennt Wohnung genommen habe, sodass er keine Ausgleichszahlung zur Anschaffung einer neuen Wohnung benötige. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats kann es im Einzelfall der Billigkeit, dem oberster Grundsatz bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG (RIS-Justiz RS0079235 [T1]) entsprechen, dass von einer Geldzahlung für die Unterstützung bei der [anders als hier] notwendigen Beschaffung einer Wohnung an denjenigen Ehepartner, dem Hausrat und Einrichtungsgegenstände, nicht aber die Ehewohnung zugewiesen wurde, überhaupt abgesehen wird, wenn der auf die Wohnung angewiesene Teil weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt und keine Arbeitserlaubnis hat (1 Ob 46/14t).

Der Revisionsrekurswerber führt nicht aus, weshalb im hier zu beurteilenden Fall verglichen mit den den zitierten Vorentscheidungen 1 Ob 237/98d und 6 Ob 322/99t zugrunde liegenden Sachverhalten andere, eine abweichende Beurteilung erfordernde Umstände vorliegen sollten. Auch im vorliegenden Fall verfügt der Antragsteller – bereits seit mehr als zehn Jahren – über eine eigene Wohneinheit im Haus seiner Eltern. Die Einkommen waren nicht annähernd gleich, wobei die Antragsgegnerin nun Notstandshilfe bezieht. Die bekämpfte Entscheidung des Rekursgerichts steht daher im Einklang mit der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Angesichts des Grundsatzes, dass im Rahmen der Aufteilung darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse eine wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung für beide Teile, soweit dies möglich ist, gesichert bleibt (RIS-Justiz RS0057579), kann nicht erkannt werden, dass die Vorinstanzen mit der Festsetzung der Ausgleichszahlung in Höhe von ca 6.700 EUR bei den hier vorliegenden Umständen dieses Einzelfalls ihren Ermessensspielraum in einer korrekturbedürftigen Weise überschritten hätten (vgl RIS-Justiz RS0108755 [T1]; RS0113732).

OGH 30.8.2017, 1 Ob 150/17s (eher krit Gitschthaler, EF-Z 2018/9, 22)