Kosten der Erziehungsberatung und Besuchsbegleitung - Minderung des Unterhalts?

Rechtsprechung

Kosten der Erziehungsberatung und Besuchsbegleitung - Minderung des Unterhalts?

Das 2017 geborene, bei der Mutter lebende Kind beantragte, den Vater beginnend ab 1. 7. 2021 zu einer monatlichen Geldunterhaltsleistung von 290 EUR zu verpflichten. Das Scheidungsverfahren der Eltern sei anhängig. Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus und erklärte sich zur Leistung eines Unterhaltsbetrags von 100 EUR monatlich bereit. Er habe sehr hohe monatliche Aufwendungen für Miete (monatlich 490 EUR), Strom (monatlich 80 EUR), Erziehungsberatung (insgesamt bisher 2.200 EUR), Rechtsanwaltskosten, Besuchscafé und Geschenke, die er dem Kind im Zug der Besuchscafétermine mitbringe.


Auszug aus der Entscheidung:

Ein möglicher anderer Ansatz besteht darin, daran anzuknüpfen, dass die Anordnung der Erziehungsberatung in der Persönlichkeit bzw psychischen Verfasstheit des davon betroffenen Elternteils ihre Ursache findet. Die Zielsetzung der Erziehungsberatung liegt darin, den Blick der Eltern auf die Bedürfnisse und Probleme des Kindes zu schärfen und eine nachhaltige Änderung in der elterlichen Haltung dem Kind gegenüber zu fördern (
Deixler-Hübner in Rechberger/Klicka, Außerstreitgesetz3 § 107 Rz 23). Im vorliegenden Fall wurde die Erziehungsberatung dem Vater (in Form von Einzelgesprächen) nicht allein zum Zweck der Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes angeordnet, sondern zur Erreichung weiterer (individuell) formulierter Ziele, nämlich zur Wahrnehmung seiner eigenen Emotionalität und deren mögliche Übertragung auf das Kind sowie zur Herstellung einer gleichwertigen Kommunikationsbasis mit der Mutter.

[40]           6.1 Im Hinblick auf diese Überlegungen erscheint es sachgerechter im Unterhaltsbemessungsverfahren die Kosten der Erziehungsberatung nicht den Besuchskosten gleichzuhalten, sondern eine Parallele zu Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung zu ziehen.

 In der Entscheidung 4 Ob 86/11t wurden als krankheitsbedingt abzugsfähiger Aufwand auch die Kosten der Unterbringung eines bedingt entlassenen Unterhaltspflichtigen in einer sozialtherapeutischen Einrichtung sowie die Kosten seiner psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung aufgrund einer strafgerichtlichen Weisung gemäß § 179a StVG gewertet. Diese Kosten wurden – soweit sie der Unterhaltspflichtige zu tragen hatte – als ein für diesen notwendiger und unvermeidbarer Aufwand angesehen (4 Ob 86/11t = EF-Z 2012/72 [Gitschthaler]; RS0127290). Nach der Entscheidung 4 Ob 178/11x gilt dies auch für gesundheitsbezogene Maßnahmen nach den §§ 11, 39 SMG.

[43]            Die der Entscheidung 4 Ob 86/11t zu Grunde liegende Wertung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Auch die Kosten der nach § 107 Abs 3 Z 1 AußStrG angeordneten Erziehungsberatung stellen für den Vater grundsätzlich einen unvermeidbaren Aufwand dar, weil die Anordnung der Erziehungsberatung mit Zwangsmitteln (§ 79 Abs 2 AußStrG) durchsetzbar ist (3 Ob 122/16m [Pkt 4.6]). Dass die dem Vater angeordnete Erziehungsberatung im Zusammenhang mit von diesem gesetzten (verpönten) Verhaltensweisen zu sehen wäre, wie etwa verbaler oder körperlicher Aggression oder Gewalt gegen das Kind (was gegen eine Minderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu Lasten des Kindes spräche) wird von dem das Kind vertretenden Kinder- und Jugendhilfeträger nicht geltend gemacht, dafür ergeben sich auch aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte. Nach dem Vorbringen des Vaters gründet sich die (vorläufige) Einschränkung seines Besuchsrechts auf Behauptungen der Mutter, deren Unrichtigkeit mittlerweile nachgewiesen worden sei, sodass in Hinkunft ein unbegleitetes Besuchsrecht gutachterlich empfohlen wurde.

Für die Berücksichtigung von Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen bei der Bemessung des Unterhalts ist aber ganz allgemein zu beachten, dass das Verhalten des Unterhaltspflichtigen an jenem eines pflichtgemäßen Elternteils in einer intakten Familie zu messen ist (RS0047590). Wäre ein ausreichender Kindesunterhalt, nämlich jener in etwa der Höhe des Regelbedarfs gefährdet, sind nur jene Ausgaben abzugsfähig, die auch ein pflicht- und verantwortungsbewusster Elternteil in der gleichen Situation aufwenden würde, um seine Ausgaben erforderlichenfalls auf das absolut notwendige und unumgängliche Maß zu beschränken (RS0121100 [T3]; RS0085164). Die Abzugsfähigkeit von Ausgaben steht beim Kindesunterhalt somit unter einem „negativen Anspannungsgrundsatz“.

Im fortgesetzten Verfahren wird bei der entsprechend diesen Grundsätzen vorzunehmenden Ermessensprüfung vor allem auch die („negative“) Anspannungspflicht zu berücksichtigen sein, die gebietet, dass der Vater die Kosten der Erziehungsberatung so gering wie möglich hält (vgl 3 Ob 10/09f zu Besuchskosten). Zu erörtern und zu überprüfen wird sein, ob der Vater – ausgehend von dem in der Judikatur als Maßstab herangezogenen pflichtgetreuen Elternteil (RS0047421) – tatsächlich die Kosten der Erziehungsberatung auf das Notwendigste reduziert hat.


9Ob30/22k

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