Konkludente Unterhaltsvereinbarung
[2] 2. Zudem bietet der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt keinen Hinweis auf eine Unterhaltsverletzung. Demnach pflegten die Streitteile einen luxuriösen und sehr aufwändigen Lebensstil. Die Klägerin hatte regelmäßig Zugriff auf ein Konto, das vom Beklagten aufgefüllt wurde. Außerdem stand ihr der Zugriff auf in einem Tresor verwahrte Bargeldbeträge offen. Zusätzlich trug der Beklagte die Kosten für den von der Klägerin benutzten PKW der Marke VW Touareg sowie die Fixkosten für das eheliche Anwesen. Auch größere Reparaturen, Erhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten am ehelichen Wohnhaus zahlte der Beklagte. Bei dieser Sachlage ist aber in der Auffassung des Berufungsgerichts, durch die ihr völlig freistehende Verfügungsmöglichkeit über die am Konto befindlichen Beträge – ohne Beschränkung durch den Beklagten – sowie der laufenden Deckung des Kontos durch den Beklagten – habe es der Klägerin selbst oblegen, das Ausmaß der Unterhaltsleistungen des Beklagten zu bestimmen, kein Rechtsirrtum zu erblicken.
[3] 3. Selbst für den Fall, dass sich im maßgeblichen Zeitraum aufgrund des tatsächlichen Einkommens des Beklagten – so wie die Klägerin annimmt – nach der Prozentwertmethode ein höherer Unterhaltsanspruch ergeben haben sollte, wäre daraus für die Klägerin nichts gewonnen. Nach ständiger Rechtsprechung äußert eine zwischen den Ehegatten durch längere Zeit unwidersprochen befolgte Übung nach § 863 Abs 1 ABGB die gleiche Wirkung wie eine ausdrückliche Gestaltungsabsprache (4 Ob 31/09a). Waren deshalb – wie auch hier – die Parteien jahrelang verheiratet und gab es in all diesen Jahren bezüglich der vom Unterhaltspflichtigen erbrachten Geld- und Naturalleistungen nie irgendwelche Auseinandersetzungen, Vorhalte oder Forderungen des Unterhaltsberechtigten, wohingegen der Unterhaltspflichtige im Einverständnis mit dem Unterhaltsberechtigten entsprechende Naturalleistungen (Wohnversorgung, Bekleidungs- und Schmuckgeschenke, Lebensmitteleinkäufe, Restaurantbesuche udgl) erbrachte, kann kein vernünftiger Grund bestehen, an der Annahme zu zweifeln, dass zwischen den Ehegatten eine – zumindest konkludent – zustandegekommene Unterhaltsvereinbarung bestand (2 Ob 58/13p; Gitschthaler aaO). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die Lebensführung der Streitteile so gestaltet, dass es – neben dem vom Beklagten ohnehin geleisteten Naturalunterhalt – keinen fixen, vom Beklagten vorgegebenen Geldbetrag gab, mit dem die Klägerin hätte auskommen und wirtschaften müssen; diese konnte vielmehr über all die Jahre hinweg ohne Einschränkungen und Vorgaben des Beklagten sowohl die Aufwendungen des täglichen Lebens für den ehelichen Haushalt als auch für ihre eigenen Bedürfnisse jederzeit mit den ihr zur Verfügung stehenden Geldquellen bestreiten, wogegen sich die Klägerin in all diesen Jahren nie aussprach. Die Annahme einer konkludenten Unterhaltsvereinbarung durch die Vorinstanzen ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
OGH 6.8.2021, 6 Ob 123/21p