Wann sind heimliche Foto- und Videoaufnahmen zulässig?
Der Streitfall:
Im gegenständlichen Verfahren ging es um einen Nachbarschaftsstreit: die Nachbarin war überzeugt, dass ihr Nachbar die Fassade ihres Hauses beschädigt hatte. Eine heimliche Videoaufzeichnung zeigte den Nachbar bei der Tat, war jedoch von schlechter Qualität. Im Strafverfahren wurde der Nachbar freigesprochen.
Der beschuldigte Nachbar forderte dann die Nachbarin auf, das Anfertigen von Fotos und Videos zu unterlassen. Die Nachbarin kam dieser Aufforderung nach und sorgte auch dafür, dass alle bislang angefertigten Fotos und Videos gelöscht wurden. Sie sicherte auch zu, keine weiteren Aufnahmen mehr zu machen, behauptete aber, zu den bisherigen Aufnahmen berechtigt gewesen zu sein, weil der Nachbar sie in Angst und Schrecken versetze.
Der Nachbar gab sich mit der Erklärung der Nachbarin nicht zufrieden und klagte sie auf Unterlassung weiterer Aufnahmen.
Der OGH beurteilte dies wie folgt:
Jeder Mensch hat ein Recht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre. Durch geheime Bildaufnahmen im Privatbereich und fortdauernde unerwünschte Überwachungen wird diese Geheimsphäre verletzt. Wer derart verletzt wird, kann auf Unterlassung und auf Beseitigung des widerrechtlichen Zustands klagen.
Steht ein Eingriff in die Privatsphäre fest, muss der Verletzer beweisen, dass er ein berechtigtes Interesses hatte und die Maßnahme zur Zweckerreichung geeignet war. Sie muss auch das schonendste Mittel gewesen sein. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reicht nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Demjenigen, der sich auf einen solchen beruft, obliegt der Beweis, dass er die Ton- oder Bildaufzeichnungen bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind als die bei Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners.
Im vorliegenden Fall brachte die Beklagte nur vor, sie habe die Fotos „vorsorglich“ angefertigt. Da sie somit schon das Vorliegen eines Beweisnotstands nicht schlüssig dargelegt hat, ist der Eingriff der Beklagten in die Privatsphäre des Klägers nicht gerechtfertigt.
Fraglich war sodann, ob eine Wiederholungsgefahr bestand: Dafür genügt bereits die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Kläger behaupteten Rechte. Wer im Prozess die Auffassung vertritt, zu der beanstandeten Handlung berechtigt zu sein, gibt im allgemeinen dadurch zu erkennen, dass er von weiteren Eingriffen dieser Art nicht gänzlich Abstand nimmt. Die bloße Behauptung der Beklagten im Prozess, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, genügt nicht.
Ergebnis: dem Unterlassungsbegehren des Klägers war stattzugeben.
OGH 23.10.2023, 6 Ob 191/23s