Kann ein Wohnkredit den Unterhalt mindern?
Zur Erklärung:
Der Unterhaltsanspruch ermittelt sich auf Basis der sogenannten "Unterhaltsbemessungsgrundlage" - das ist jenes Einkommen, das dem Unterhaltspflichtigen zur Verfügung steht. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob und welche Kosten der Unterhaltspflichtige in Abzug bringen kann.
Kosten für einen Kredit können grundsätzlich nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden, weil der Unterhaltspflichtige sonst umso weniger Unterhalt zahlen müsste, je mehr er selbst an Schulden aufnimmt.
Im vorliegenden Fall machte der OGH eine ganz seltene Ausnahme für die Kosten eines Kredits, der zur Anschaffung von Wohnraum nach einer Scheidung aufgenommen wurde.
Worum ging es genau:
Die Eltern ließen sich im Jahr 2018 scheiden und der Mann (Vater) übertrug seiner Frau die Hälfte seiner Eigentumswohnung, wo die Frau zusammen mit der gemeinsamen Tochter fortan lebte. Die Frau übernahm die Rückzahlung des restlichen Wohnkredits. Außerdem verpflichtete sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 400 EUR an die Tochter.
Nun begehrte die Tochter eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrags auf 800 EUR ab Jänner 2023. Der Vater wandte ein, dass er nach der Scheidung selbst eine Wohnung angeschafft hatte und dafür einen Kredit zurückzahlen muss. Die Kreditraten seien von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Wie entschied der OGH?
Der OGH hielt fest, dass Wohnkosten (etwa Betriebskosten, Miete, Kaution, Wohnkreditraten, Wohnungseinrichtungskosten, Wohnungsverbesserungskosten) des Unterhaltsschuldners für die eigene Wohnung als Ausgaben des täglichen Lebens grundsätzlich nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden können.
Aber: ausnahmsweise reduzieren scheidungsbedingte Wohnungsbeschaffungskosten (samt Einrichtung) die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Dies setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige die Ehewohnung dem Unterhaltsberechtigten überlässt, sein Aufwand für die Wohnungsanschaffung seinen Lebensverhältnissen angemessen ist, zwischen der Ehescheidung und der Anschaffung der Wohnung ein zeitliches Naheverhältnis besteht und die Anschaffung der nunmehrigen Wohngelegenheit des Unterhaltspflichtigen existenznotwendig war.
Ergebnis:
Der OGH hob die Entscheidung auf und trug dem Erstgericht auf, im fortgesetzten Verfahren die Entscheidungsgrundlage hinsichtlich der Existenznotwendigkeit und der Angemessenheit der Anschaffung zu verbreitern, damit die Frage der Abzugsfähigkeit der Kreditraten umfassend beurteilt werden kann.
OGH 21.11.2023
2 Ob 185/23d.