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Die Gattin kauft sich in der Steuerkanzlei ein: hat der Mann einen Anspruch? | Rechtsanwalt in Wien, Dr. Nademleinsky

Rechtsprechung

Die Gattin kauft sich in der Steuerkanzlei ein: hat der Mann einen Anspruch?

Erwirbt ein Ehegatte Anteile an einem Unternehmen, so unterliegten die Anteile zwar nicht der Aufteilung. Wurde der Erwerb aber kreditfinanziert, stellen die Kreditrückzahlungen eine aufzuteilende Ersparnis dar. Dem stehen wiederum die "Vorteile" der besseren Einkommenssituation durch den Einstieg in das Unternehmen gegenüber.

Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen interessant, aber der Reihe nach: 

Was war passiert?

Die im Jahr 2013 geschlossene Ehe der Parteien wurde im Jahr 2022 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die Frau war bei Ehescheidung österreichische Staatsbürgerin, der Mann griechischer Staatsbürger. Im Aufteilungsverfahren waren sich die ehemaligen Ehegatten einig, dass die Frau die Ehewohnung und der Mann die Yacht bekommen sollte. Strittig war die Höhe der Ausgleichszahlung, die von der Frau an den Mann zu leisten ist.

Welche Werte waren vorhanden?

Die Ehegatten hatten 2017 eine Eigentumswohnung um rund 650.000 EUR erworben, sie war aktuell 751.330 EUR wert. Rund 450.000 EUR des Kaufpreises wurden durch einen Bankkredit und weitere 100.000 EUR durch ein Darlehen der Eltern der Frau finanziert. Der Rest stammte aus ehelichen Ersparnissen von rund 61.000 EUR sowie vorehelichen Ersparnissen des Mannes von rund 38.200 EUR. Der Bankkredit haftete bei Auflösung der Ehegemeinschaft mit rund 398.500 EUR und zuletzt (per 1. 11. 2022) mit 374.963,66 EUR aus. Das Darlehen der Eltern der Frau ist zur Gänze offen.

Die vom Mann vor Eheschließung um rund 50.000 EUR angeschaffte Yacht wies zuletzt einen Wert von 12.500 EUR auf. Sie wurde zur Gänze durch einen von ihm aufgenommenen Kredit finanziert, der mittlerweile getilgt ist. Die Kreditrückzahlung erfolgte teilweise vor der Eheschließung und teilweise danach.

2019 erwarb die Frau um 162.750 EUR Anteile an jener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei der sie bereits angestellt war, um sich „als Partnerin einzukaufen“. Die Finanzierung erfolgte (teilweise) durch einen Bankkredit, den die Frau aus ihrem Einkommen als Partnerin und (daneben) auch als Angestellte dieser Gesellschaft in monatlichen Raten von 560 EUR zurückbezahlt.

Wie beurteilte der OGH den Fall?:

1. Zum anwendbaren Recht verwies der OGH auf § 20 Abs 1 IPRG. Dies führte zur Anwendung österreichischen Rechts. Die EuEheGüVO war wegen der Eheschließung vor dem 30.1.2019 noch nicht anwendbar. 

2. Den Wertausgleich für die Ehewohnung berechnete der OGH wie folgt:

Vom aktuellen Wert der Wohnung (751.330 EUR) sind die bei Auflösung der Ehegemeinschaft bestehenden Bankschulden von 398.500 EUR sowie das offene Darlehen der Eltern der Frau von 100.000 EUR abzuziehen. Von der Differenz (252.830 EUR) ist dem Mann jener Betrag rechnerisch vorab zuzuweisen, mit dem die Wohnung aus seinen vorehelichen Mitteln finanziert wurde, wobei dieser entsprechend der Einbringungsquote von rund 5,88 % (Verhältnis der vorehelichen Mittel von 38.200 EUR zum Kaufpreis der Wohnung von rund 650.000 EUR) auf den aktuellen Wert der Wohnung (751.330 EUR) sohin also auf rund 44.200 EUR aufzuwerten ist. Die 1:1 aufzuteilende (verbliebene) eheliche Wertschöpfung beträgt daher rund 208.630 EUR, wovon auf jeden Ehegatten 104.315 EUR entfallen. Da dem Mann vom Wert der Wohnung rechnerisch vorab ein Betrag von 44.200 EUR zuzuweisen ist, steht ihm an dieser insgesamt ein wertmäßiger Anteil von 148.515 EUR zu. Diesem Betrag sind die vom Mann nach Aufhebung der Ehegemeinschaft anteilig übernommenen Kreditrückzahlungen für die Wohnung hinzuzurechnen. Diese wurden bis Ende 2021 von beiden Parteien gemeinsam jeweils zur Hälfte geleistet, sodass sich bei Monatsraten von 1.892 EUR ein auf den Mann entfallender Betrag von 8.514 EUR ergibt. Insgesamt beträgt der von der Frau „für das Haus“ zu leistende Wertausgleich somit 157.029 EUR.

Anmerkung an dieser Stelle: der OGH hat leider übersehen, dass Kreditrückzahlungen aus Zinsen und Kapital bestehen, er hätte daher nicht einfach auf die absolute Höhe der Kreditrückzahlungen abstellen dürfen.

3. Zur Yacht stellte der OGH folgende Überlegung an: Der Mann erwarb die Yacht vor Eheschließung um rund 50.000 EUR, wobei der Kaufpreis zur Gänze kreditfinanziert wurde. Der Kredit wurde mit 27.087,54 EUR aus ehelichen Mitteln getilgt. Rund 40 % des Kaufpreises wurden vom Mann vor Eheschließung getilgt. Die "überwiegende Wertschöpfung" erfolgte daher während der Ehe, daher fiel die Yacht in die Aufteilung. Die vom Mann (dem die Yacht verbleiben soll) zu leistende Ausgleichszahlung ist nach dem aktuellen Verkehrswert der Yacht von 12.500 EUR zu bemessen. Jene Wertschöpfung, die durch Kreditrückzahlungen des Mannes vor Eheschließung bewirkt wurde, ist ihm als eingebrachter Vermögenswert iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG vorweg zuzuweisen, soweit sie wertmäßig noch vorhanden ist. Dem Mann ist daher ein Anteil von 40% (5.000 EUR) vorab zuzuweisen. Vom verbleibenden Wert der Yacht (7.500 EUR) steht der Frau die Hälfte (somit 3.750 EUR) als Wertausgleich zu.

Anmerkung: das macht wenig Sinn. Schließlich wurde mit ehelichen Mitteln - 27.087 EUR! -ein vorehelicher Kredit des Mannes getilgt. Wäre der Kredit nicht für eine Yacht gewesen, sondern ein einfacher Konsumkredit, hätte die Frau möglicherweise einen Anspruch auf die halben Kreditraten gehabt.

4. Für die Unternehmensbeteiligung der Frau stellte der OGH folgenden Grundsatz auf:

Der Erwerb von nicht der bloßen Wertanlage dienenden Anteilen an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft wird von § 91 Abs 2 Satz 1 EheG erfasst. Diese Bestimmung ist auch auf die Tilgung unternehmensbezogener Schulden aus ehelichen Mitteln anzuwenden. Die während aufrechter Ehegemeinschaft erfolgten Rückzahlungen des für den Anteilserwerb der Frau aufgenommenen Kredits aus ihrem laufenden Einkommen und somit aus ehelichen Mitteln sind daher nach § 91 Abs 2 EheG zu beurteilen. Diese Bestimmung ordnet an, dass in ein Unternehmen eines Ehegatten eingebrachtes oder sonst für ein solches Unternehmen verwendetes eheliches Vermögen wertmäßig in die Aufteilung „einzubeziehen“ ist. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung ehelicher Mittel in bzw für ein Unternehmen Vorteile entstanden und die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Mittel aus den Gewinnen des Unternehmens stammten. 

Ergebnis: der OGH verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück, damit dieses klärt, in welcher Höhe dem Mann Vorteile dadurch entstanden sind, dass die Frau die Unternehmensanteile an der Steuerkanzlei erwarb. Die hierfür geleisteten Kreditrückzahlungen aus ehelichen Mitteln sind nämlich aufzuteilen.


OGH 23.10.2023
1 Ob 113/23h