Welcher Ausgleich gebührt für die Überlassung der Wohnung während des Verfahrens?
Zum Problem:
Ein Ehegatte verlässt die Ehewohnung, die der andere weiter bewohnt. Die Gerichtsverfahren ziehen sich über viele Jahre hin (was in Österreich nicht unüblich ist). Im Aufteilungsverfahren stellt sich dann die Frage: muss der Ehegatte, der weiter in der Ehewohnung gewohnt hat, dem anderen Ehegatten einen finanziellen Ausgleich für die Wohnungsnutzung leisten? Hat der weichende Ehegatte Anspruch auf einen angemessenen Mietzins?
Was sagt der OGH im vorliegenden Fall:
Der OGH wiederholt seine ständige Rechtsprechung: der Gebrauchsvorteil, den der vormalige Ehepartner dadurch erlangt hat, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart, kann (nur) im Rahmen der Billigkeit bei der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden. Die generelle Zurechnung eines Vermögensvorteils (in Höhe des fiktiven Mietzinses) für einen solchen „Wohnvorteil“ wird abgelehnt. (Irrelevant ist damit auch, ob ein solcher fiktiver Mietertrag brutto oder netto zu berechnen wäre.)
Der OGH hält aber auch fest, dass derjenige, der die Wohnung behält, den anderen gegebenenfalls durch eine Geldzahlung bei der Beschaffung einer neuen Wohnung zu unterstützen hat.
Ergebnis:
Die Frau blieb in der Wohnung und musste dem Mann eine Ausgleichszahlung von 55.000 EUR leisten. Darin enthalten sind lediglich 1.700 EUR an Kosten, die der Mann für die Räumung aufwenden musste. Weitere Beträge für die Wohnungsnutzung musste die Frau nicht leisten.
OGH 16.11.2023, 1 Ob 97/23f
Anmerkung: Die Entscheidung entspricht ständiger Rechtsprechung, ist aber dennoch kritikwürdig. Im Aufteilungsrecht spielt das Scheidungsverschulden keine Rolle, daher sollte ein Gebrauchsvorteil, der in der jahrelangen Wohnungsnutzung liegt, rechnerisch in der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden.