Abholen und Bringen des Kindes: praktische Erwägungen bedeutsam!
Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss, mit welchem dem Vater – bei vorläufiger Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge der Eltern und hauptsächlicher Betreuung der Kinder im Haushalt der Mutter – vorläufig ein wöchentliches Kontaktrecht von Montag 9:00 Uhr bis Mittwoch 11:00 Uhr eingeräumt wurde, wobei die Kinder zu Beginn der Kontaktzeit vom Vater bei der Mutter und bei deren Ende von der Mutter beim Vater abzuholen sind.
OGH:Die Revisionsrekurswerberin bekämpft das Kontaktrecht des Vaters auch mit der Begründung, die Kinder könnten an den vom Gericht festgelegten Kontakttagen – aufgrund der Entfernung der Wohnorte der Eltern (ca 90 km) – den am Wohnort der Mutter gelegenen Kindergarten nicht besuchen. Damit zeigt sie aber schon deshalb keine Korrekturbedürftigkeit der – nur vorläufig wirksamen – Entscheidungen der Vorinstanzen auf, weil ihre Ausführungen zu den positiven Auswirkungen eines Kindergartenbesuchs auf die kindliche Entwicklung gänzlich allgemein bleiben und das konkrete Bedürfnis der Kinder nach Kontakt zum Vater unberücksichtigt lassen. Ein von ihr in den Raum gestelltes Kontaktrecht an jedem zweiten Wochenende sowie an einem Tag während der anderen Woche entspräche dem von den Vorinstanzen festgelegten (vorläufigen) Kontaktrecht schon umfänglich nicht. Für die endgültige Festlegung der Kontakte der Eltern zu den Kindern wird gegebenenfalls zu berücksichtigen sein, dass deren Kindergartenbesuch am wenigsten beeinträchtigt wird, wenn sie sich primär am Wochenende bei jenem Elternteil aufhalten, der nicht in der Nähe des Kindergartens wohnt.
[13] 4.1. Die Mutter kritisiert in ihrem Rechtsmittel auch, dass sie die Kinder am Ende der Kontaktzeit beim Vater abholen muss. Sie beruft sich dazu auf einen Grundsatz, wonach der Kontaktberechtigte das Kind von dessen ständigem Aufenthaltsort abzuholen und dorthin zurückzubringen habe. In der Rechtsprechung sind jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz durchaus anerkannt (idS bereits 3 Ob 529/89; aus jüngerer Zeit etwa 1 Ob 181/20d mwN), wobei vor allem wirtschaftliche und organisatorische Faktoren, die eine Regelung praktikabel machen, zu berücksichtigen sind, etwa bei weiteren Entfernungen das Transportproblem und der damit verbundene Zeit- und Kostenaufwand sowie berufliche Rücksichten der Eltern. Je umfangreicher die Betreuungszeiten des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils sind desto eher wird auch für den mit der „Übergabe“ eines Kindes verbundenen Aufwand eine ausgewogene Regelung anzustreben sein. Ob im Einzelfall Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, dass das Kind dem „kontaktberechtigten“ Elternteil an dessen Wohnort übergeben oder von dort abgeholt wird, begründet typischerweise keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG.
[14] 4.2. Die Revisionsrekurswerberin behauptet zwar, dass es ihr als Ärztin nicht zumutbar sei, die Kinder einmal pro Woche beim Vater abzuholen, legt aber nicht dar, warum sie sich ihre Dienstzeiten – sie arbeitet an zwei Halbtagen pro Woche in der Ordination eines anderen Arztes mit – nicht entsprechend einteilen könnte. Sie übergeht auch, dass der Vater ebenfalls teilzeit berufstätig ist und sie – obwohl ihr die Obsorge gemeinsam mit diesem zusteht – (gegen seinen Willen) mit den Kindern aus der gemeinsamen Wohnung auszog und später in einen ca 90 km entfernten Ort übersiedelte. Da die Rechtsmittelwerberin auch nicht darlegt, warum es dem Wohl der Kinder widerspräche, wenn diese von ihr beim Vater abgeholt werden (vgl 7 Ob 285/04v), zeigt sie auch zur diesbezüglichen Anordnung durch die Vorinstanzen keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung auf.OGH 1 Ob 225/21a